[Event] I don't want to be here either...

001 | Mit Seyn Hikachi
Jordan war in der Grossstadt aufgewachsen und nichts anderes hätte er jemals gewollt. Wer hätte da gedacht, dass er hier enden würde, doch so war es. Er stand auf der dreckigen Fussmatte eines verlassenen Hauses, welches seit dem Tod seines Onkels in seinem Besitz war, er jedoch noch nie betreten hatte und nicht einmal im Traum hatte er daran gedacht, daran etwas zu ändern, doch hier stand er. Mit dem notdürftigen Gepäck, was er in einer Nacht- und Nebelaktion hatte einstecken können, stand er da und rang mit dem Schlüssel in seiner Hand, zögerte, ihn ins Schloss zu schieben und darin zu drehen. Er wollte nicht hier sein, bereute gar, abgehauen zu sein, doch nun zurückzugehen war ja wohl keine Option. Diesen Triumph würde er seiner Schwester nicht gönnen und Isabell noch weniger. Ausserdem würde sich nichts ändern, wenn er nun zurückkehrte.
Der Blonde schüttelte seinen Schopf und schob den Schlüssel ins Loch. Erwartungsgemäss öffnete sich die Tür und ein leicht muffiger Geruch kam ihm entgegen. Jordan unterliess es, zu seufzen, um nicht unnötigen Staub zu inhalieren. Nichtsdestotrotz betrat er die knarzenden Dielen des Eingangsbereiches von welchem eine Treppe nach oben und vier Türen unterhalb weg führten. Er schloss die Tür hinter sich ab und entschied sich als erstes für die Tür vorne rechts, die ihn in eine Art Wohnzimmer führte, welches mit einem Kamin, einem niedrigen Tisch und zweier Sofas, sowie einem Sessel bestückt war. An die Wände gelehnt standen imposante Gemälde, die jedoch säuberlich mit Laken verhängt waren, um sie vor den Gezeiten zu schützen und auch die Möbel hatten einen ähnlichen Schutz erhalten, wobei Jordan eines der Sofas davon befreite und seine Sachen darauf ablegte. So wie er sich kurz setzte, spürte er die Müdigkeit an sich nagen. Am Vortag war er direkt nach dem Training los gegangen und hatte seitdem nicht geschlafen, während nun bereits wieder die Nacht hereingebrochen war. Ihm blieb nicht mal die Energie, sich über den Staub und die Unordnung aufzuregen, geschweige denn etwas dagegen zu unternehmen. Er war einfach nur müde. "Darum können wir uns auch morgen noch kümmern", entkam ihm also, während er sich nach hinten fallen liess und eine zarte Staubwolke aufwirbelte. Ein Husten entkam seine Kehle, die von den fliegenden Fasern gereizt wurden, wonach er zu sich selber mit einen leichten Seufzen meinte: "Und die Tage danach." Dieses Unterfangen war eine reine Verzweiflungstat und wenn er auch nur eine andere Option gesehen hätte, dann wäre er dieser gefolgt und nicht hier. Doch jeder Ort war ihm aktuell lieber als sein Zuhause, auch wenn es sich dabei um ein verlottertes Haus am Rande der Welt handelte. Hier würde ihn Isabell immerhin nicht finden, so jedenfalls die Überzeugung. Und das Chaos konnte unmöglich noch schlimmer zu bewältigen sein als das tägliche Training.

Es war langweilig in diesem Haus. Furchtbar langweilig. Er hatte schon tausend mal die Spinnweben gezählt und beinahe wäre die Verzweiflung so groß gewesen, dass er noch anfangen würde Staubkörner zu zählen. Wie man auf so eine Idee kam? Relativ simpel.. schon bevor das Haus an einen gewissen Jordan übergeben wurde, schwebte Seyn so durch dieses Haus und versuchte einen Weg zu finden, es endlich verlassen zu können. Nachdem der Eigentümer gestorben war, war es lange sehr still hier geworden. Klar gab es wie bei so ziemlich jedem Geisterhaus ein paar idiotische Teenager, die meinten dem Haus einen Besuch abstatten zu müssen. Seyn war ein fürchterlicher Poltergeist. Er wollte ja gar niemanden erschrecken, er wollte doch nur aus diesen vier Wänden raus. Trotzdem schafften es die Umstände immer, die Eindringlinge so zu erschrecken, dass sich die verrücktesten Geschichten um das Haus rankten.
So lange, bis nun ein gewisser blonder Junge das Haus betrat. Neugierig beobachtete der wenig euphorische Geist die Handlungen des Fremden, während er das Haus durch schritt. Er sah ziemlich müde aus, wenn Seyn das mal so beurteilen konnte. Da er selbst nicht mehr schlafen brauchte, hatte er davon aber täglich weniger Ahnung. Man kickte sowas schnell aus seinen Erinnerungen heraus. Offenbar hatte er aber nun wieder einen Mitbewohner, was man auch den leisen Worten des jungen Mannes entnehmen konnte.
Zunächst dachte Seyn daran, ihn direkt anzusprechen, aber wenn er sich recht entsann, brauchte man Schlaf um fit zu sein. Also schwebte er einfach direkt wieder in den Keller hinunter und . . . wartete? Ja genau. Viel mehr blieb ihm ja nicht übrig, konnte er ja keinen Spaziergang machen und sich auch mit niemandem groß unterhalten.
Am frühen Morgen schwebte der leicht durchsichtige Schwarzhaarige wieder durch den Boden hinauf, um nach dem Blondschopf zu sehen. Mit einem leichten Abstand zum Fußboden, konnte er leider keinen festen Halt dort finden, musterte er den fremden Jungen, der noch fest am schlafen zu sein schien. "Heeeey. Aufwachen", gab Seyn von sich, in der Hoffnung ihn so wecken zu können. Er wollte nicht versuchen ihn zu berühren oder zu schütteln, immerhin ging seine Hand ständig durch Gegenstände durch und er empfand es selbst als widerlich, durch den Körper einer Person hindurch zu greifen. Oder er wollte nicht wissen, ob es möglich war da die Kontrolle über seine Grifffestigkeit zu verlieren... nein, lieber nicht weiter drüber nachdenken. Dann doch lieber mit Worten.

002 | Mit Seyn Hikachi
Jordan plagten wirre Träume, die sich allen voran auf jener Bühne abspielten, der er zu entfliehen versuchte. Die immer präsente Stimme seiner Mutter schien in seinen Ohren zu dröhnen, wie ein Metronom, einem Gedicht der Enttäuschung gleich. Nochmal. Konzentriere dich. Nochmal. Höher das Bein. Lächle. Und Nochmal. Dabei schien ihm, als würde er von Fäden gesteuert und jene dunklen Fratzen im Publikum schienen von nichts bewegt. Die Scheinwerfer entblössten ihn vollkommen, brannten und blendeten. Jedes Glied schrie vor Schmerz und doch hob er das Bein höher noch als zuvor, lächelte und begann erneut von vorn. Schmerz lehrt dich Disziplin. Disziplin fürs Training, für den Tanz. Doch für wen tanzte er? Tanzte er aus freiem Willen, oder waren es die Fäden, die ihn dazu zwangen, zu Schönheit und Perfektion. Nochmal. Streng dich an. Nochmal. Noch nicht gut genug. War es jemals gut genug? Er wagte nicht, zu Boden zu schauen, fühlte er sich ihm doch gerade so verbunden, als könnte er ihn mit vollem Körper küssen. Doch er musste abheben, schweben mit der Leichtigkeit einer Feder. Sah man Anstrengung, so war jegliche Bemühung umsonst. Die Fäden zogen sich enger um seine Glieder, schnürten ihm die Kehle zu. Und gerade, als sie ihm jeglichen Atem nahmen, drang eine neue Stimme in sein Bewusstsein, gebot ihm, zu erwachen.
Jordan schreckte auf und angesichts der völligen Fremde, die ihn erfasste, war er sich nicht gänzlich sicher, ob nicht der Traum die Realität gewesen und dies hier der Alptraum war. Doch nach einigem Blinzeln fügte sein Kopf die Informationen zusammen, die sich in den letzten Tagen zugetragen hatten. Doch sorgte dies gewiss nicht, für Erleichterung. Denn die Erkenntnis folgte auf raschem Fusse, dass er wohl einen der dümmsten Fehler seines Lebens begannen hatte, vergleichbar mit einer Verletzung, die ihn vom Tanzen abhielte. Er warf seinen Oberkörper kraftvoll zurück ins Polster um seinem Frust Ausdruck zu verleihen, was er sogleich bereute, als ihm eine Staubwolke entkam, die ihn im Rachen kitzelte. Erst nach einigen Hustern öffnete er seine Augen also gänzlich, um dann all seine Gedanken zu vergessen und beim Anblick zu erstarren. Spannung erfüllte seinen Körper, als er das blasse, schwebende Antlitz vor sich erblickte und sich dessen Anwesenheit gewahr wurde. Erst dachte er an einen Einbrecher, was ihn nicht minder schockiert hätte, denn er kannte es nicht, Gewalt ausgeliefert zu sein. Doch die leicht durchscheinende Gestalt wirkte keineswegs menschlich. Während sein Herz in seiner Brust wild pochte, wagte er kaum, sich zu rühren. Starrte das Wesen nur weiter mit leicht geweiteten Augen an, während alle Gedanken von zuvor weggewaschen schienen und nun darum kreisten, was das war und was er nun tun sollte. Derweil nahm er Notiz, dass es sich um jungen Mann handelte, dessen Haar dunkel und zerzaust war. Und weil sein Kopf nichts Brauchbares ausspuckte, entkam seiner rauen Kehle, noch geschunden vom Staub von zu vor: "Wer hat dir erlaubt, dieses Haus zu betreten!?" Gewiss war Elisabeth charmanter gewesen, als sie sich in den Tod verliebte und er in sie. Jordan schüttelte den Kopf, als er sich bei diesem Gedanken erwischte. "Das ist doch verrückt", entkam ihm selbst, als er realisierte, wie er tatsächlich daran zu glauben schien, vor ihm erschiene ein Geist. Das war hier doch kein Theater... Er blinzelte und sah erneut zu der Gestalt auf. "Was bist du? Oder.. wer?", fragte er deutlich irritierter, wobei die anfängliche Hysterie nur noch ein Schatten ihrer selbst war.

Neugierig beobachtete Seyn den für ihn Fremden beim Schlafen, auch wenn er das Gefühl hatte hier einen nicht unbedingt sehr ruhigen und schönen Schlaf zu stören. Aber was wusste er schon? Zumal die Reaktion den Blonden nicht unbedingt so ausfiel, wie er es erwartet hatte. Dieser schreckte hoch, nur um sich dann wieder zurückfallen zu lassen und sich fast mit einer Staubwolke zu töten. Offenbar hatte er seine Umgebung noch nicht so richtig wahrgenommen, sonst hätte er wohl ganz anders gehandelt. Er brauchte also einfach ein bisschen, um wach zu werden. Die Zeit wollte Seyn ihm gerne geben, blieb er doch einfach an Ort und Stelle schweben und... blickte Jordan einfach nur an.
Seyn blinzelte Jordan einfach nur an, als dieser ihn anstarrte als hätte er... ja was? Einen Geist gesehen? Das tat er ja auch gerade! Trotzdem war es faszinierend, wie Jordan ihn einfach nur anstarrte, als wenn er glaubte, dass er sich gleich wieder in Luft auflösen würde. Das tat er tatsächlich nicht, wäre auch zu schön, denn dann würde er hier nicht mehr festsitzen.
"Oh wow... beste erste Reaktion, die ich bisher erhalten habe", meinte Seyn trocken und zuckte leicht mit den Schultern. "Ich schätze niemand", antwortete er dann trotzdem auf die Frage, die eventuell gar keine Antwort benötigt hatte. Wollte Jordan jetzt ernsthaft eine Diskussion darüber führen, dass Seyn dieses Haus nicht betreten durfte? Er konnte ihn ja gerne anzeigen. Das würde witzig werden.
"Hmhm. Ich heiße Seyn. Ganz offensichtlich bin ich ein Geist", antwortete er dann wahrheitsgemäß und neigte den Kopf ein wenig zur Seite. Ja, das konnte man nicht schön reden und er hätte auch nicht gewusst, wie er das dem Blonden schonender erklären sollte. Seyn hatte es ja auch niemand schonend beigebracht, auch wenn er sich leider null daran erinnern konnte, wie er zum Geist geworden war. Eventuell war das ja nämlich die Lösung, wie er hier wieder wegkommen könnte.
Demonstrativ schwebte Seyn ein paar "Schritte" weiter zurück. Zum Einen um Jordan darauf aufmerksam zu machen, dass er den Boden nicht berührte - also eben kein Mensch war. Zum anderen aber auch um ihm etwas mehr Platz zu geben, flippten die meisten ja leider in der Regel aus, wenn sie einem Geist begegneten.

003 | Mit Seyn Hikachi
Das durfte ja wohl nicht wahr sein.. Und doch, auch die Worte des Wesens bestätigten ihm, dass es sich bei 'Seyn' um einen waschechten Geist handelte. Vielleicht war dies so eine Art Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte? "Was erwartest du für 'bessere' Reaktionen?", gab er etwas patzig zurück, schlicht weil er noch nicht so recht mit der Situation umzugehen wusste und so reagierte er, wie eine Katze, die man in die Ecke drängte, kratzbürstig. "Ich bin jedenfalls der Besitzer dieses Hauses, also würde ich dich bitten, zu verschwinden", fügte er an, als wäre dies das Äquivalent zur Aussage, dass es sich bei seinem Gegenüber um einen Geist handelte. Er hatte gar keine Geduld für solche Geschichten. Und wenn der Typ gleich ausholte und versuchte, ihm zu erklären, dass er hier auf grausame Weise ums Leben gekommen war und sich nun an jedem rächen wollte, der das Haus betrat, dann würde ihm Jordan einfach ins Wort fallen, denn er wollte gewiss nichts davon hören, wie wer auch immer gewaltsam zu Tode kam. Ausserdem hatte das ja wohl auch nichts mit ihm zu tun. Er mochte nicht unbedingt ein Lämmchen sein, was sein Verhalten anbelangte, doch jemandem aktiv geschadet hatte er auch nicht. Sowas würde er sich nicht unterstellen lassen.
Man musste wohl einräumen, dass Jordan vielleicht mehr Angst gegenüber dem Geist zeigen sollte, und gewiss war ihm die Gestalt nicht geheuer, aber eigentlich.. sprach der junge Mann recht ruhig mit ihm, einmal ab von dem Sarkasmus in seiner Stimme. Er hörte sich bisher wie ein vernunftbegabtes Wesen an, was man nicht einmal jedem Menschen zugestehen konnte. Auch kam er nicht umhin, sich zu fragen, ob der Kerl einfach beim Tod so eine makellose Haut gehabt hatte, oder ob man als Geist generell keine Probleme mit Pickeln hatte. Dieser Gedanke fesselte ihn so sehr, dass er sich den Schrecken ausmalte, mit einem Pickel im Gesicht zu sterben und diesen dann für den Rest seines Ablebens in seinem Gesicht wissen zu müssen. Konnten sich Geister überhaupt schminken?
Erst wenn Seyn wieder das Wort an ihn richten würde, würde er diesen Gedanken wohl entfliehen können, um vermutlich vollkommen entrüstet zu sein, weil dieser sein Haus nicht verlassen wollte. In diesem Fall würde ihm auch relativ barsch die Frage entkommen, wieso er es nicht verlassen wollte. Konnte ja wohl nicht angehen.

Der Schwarzhaarige runzelte ein wenig die Stirn, als er eine patzige Antwort zurückbekam, bevor er dann mit den Schultern zuckte. "Auch wieder wahr." Natürlich hatte er keine bessere Reaktion erwartet. Ihm war wohlmöglich nur einfach keine bessere Antwort auf Jordans Reaktion eingefallen. Aber das brauchte er ihm ja jetzt auch nicht so genau erklären. Würde den Blonden wohl eh nicht interessieren, stritt dieser sich doch gerade ohne Hemmungen mit einem Geist. Naja, oder diskutierte viel eher. Einen Streit konnte man das wohl nicht nennen.
Nach seiner Aussage, dass er doch aus dem Haus verschwinden sollte, schien der Blonde irgendwie ein bisschen geistesabwesend zu sein. Nicht, dass das verwunderlich war, wenn man sich mit einem Geist unterhielt. Wenn Seyn jedoch wüsste, worüber der andere wirklich nachdachte, würde er wohl vor Irritation glatt durch den Flurboden fallen. Zum Glück konnte er aber keine Gedanken lesen. "Ich kann nicht", meinte er daher schlicht und schien Jordan damit endlich wieder aus seinen Gedanken geweckt zu haben. Irritiert runzelte er die Stirn, als die Frage kam, wieso er das nicht wollte.
"Nein, du missverstehst das. Ich würde gerne, glaub mir. Die letzten Jahre hier festzuhängen ist mehr als unerfreulich. Ich kann das Haus nicht verlassen. Ich komme nicht über die Türschwelle", erklärte er ihm dann genauer, damit Jordan nun auch wirklich verstand, dass es hier wirklich nicht um das wollen ging. Seyn hatte sicher keinen Spaß daran jahrelang in den gleichen vier Wänden festzuhängen. Das war schrecklich langweilig und noch ermüdender, wenn Leute zum Haus kamen und sich erschreckten und davon rannten, obwohl Seyn gar nicht wirklich etwas gemacht hatte. Sich mit Jordan zu unterhalten, sei es auch noch so eine komische Unterhaltung, war seit gefühlten Ewigkeiten das erste normale Gespräch, was er führen konnte.

004 | Mit Seyn Hikachi
Bei den Worten des Geistes bildeten sich noch mehr Falten zwischen Jordan's Augebrauen, wenngleich nicht alle dem Zorn sondern viel eher der Verwirrung zuzuschreiben waren. Und weil ihm die Fragen bereits auf der Zunge brannten, spuckte er sie förmlich aus: "Wieso kannst du das Haus nicht verlassen? Sollten Geister nicht in der Lage sein, durch Wände sauber durchzufliegen, was könnte dich also aufhalten?" Mochte sein, dass es viele widersprüchliche Geschichten zu Geistern gab, doch Dinge wie Schweben schienen offensichtlich im Bereich des Möglichen, dazu war das Wesen vor ihm auch noch halb durchsichtig und da wollte ihm der Geist allen ernstes erklären, dass er nicht über eine Türschwelle kam? Und wenn das mit der Türschwelle nicht funktionierte, dann konnte er ja auch immer noch ein Fenster nehmen. All dies schien für den Tänzer absolut nicht schlüssig. Er versuchte also zu überlegen, was er so über Geister 'wusste', um möglicherweise selbst auf eine Antwort zu kommen. Einmal ab vom Schweben und dem Durchsichtig sein, was er ja direkt bestätigen konnte, waren da noch Dinge wie Spuken und Leute erschrecken. Seyn schien dem Bild eines Geistes nicht zu entsprechen, wenngleich sich Jordan bei seinem Anblick schon leicht erschreckt hatte, jedoch eher weil er ihn für einen Einbrecher gehalten hatte. Dass er die Tatsache beruhigend fand, dass ein Geist in seinem Haus wohnte, musste wohl auch seltsam klingen. Sein 'Auch wieder wahr' hatte den Tänzer jedoch zur Überzeugung geführt, dass der Geist durchaus einsichtig war. "Wie lange hängst du hier schon rum? Und.. kanntest du den Vorbesitzer?", entkam ihm schliesslich die Frage, als er die Worte des Geistes in seinem Kopf noch einmal Revue passieren liess. Ob das jetzt tatsächlich relevant war, konnte er nicht sagen, doch es interessierte ihn, weswegen er die Frage kurzerhand stellte. Wenn er schon länger hier wohnte, dann kannte er eventuell sogar seinen Onkel, der ihm dieses Haus vermacht hatte. Wobei sich Jordan nicht sicher war, wann dieser das letzte Mal hier gewesen war, bevor er gestorben war, offensichtlich. Vielleicht stockte seine Stimme auch leicht, als ihn der Gedanke an seinen Onkel erreichte, doch das würde sich der sture Mann kaum eingestehen.

Der Schwarzhaarige zuckte leicht mit den Schultern. Unrecht hatte Jordan immerhin nicht, Geister konnten sauber durch Wände fliegen, aber das war ja auch nicht so wirklich das Problem. "Ich weiß es nicht. Ich kann durch jede Wand im Haus hindurch, ohne Widerstand. Nur nicht durch die Außenwände." Und dass er nicht wusste warum, war das wirkliche Problem. Denn wenn er gewusst hätte, wie er das Problem löst, hätte er es schon längst getan und wäre endlich frei. In diesen vier Wänden eingesperrt zu sein war wirklich nicht lustig für ihn. Wie ein Schwerverbrecher, der nie aus seiner Zelle herauskam. Zwar hatte er wesentlich mehr Platz, aber dafür eben auch sonst nichts. Da er nicht schlafen musste, war die Zeit nur noch länger und unerträglicher. Und immer, wenn er mit jemandem sprechen wollte, geriet die Person in Panik und rannte davon. Mit ein Grund, warum er es schon beinahe aufgeben wollte, mit jemandem zu reden. Immerhin schien dann ja irgendwas schief zu gehen. Jordan reagierte nach seiner anfänglichen Überraschung zum Glück ziemlich normal. Was eigentlich noch merkwürdiger sein sollte... immerhin war er doch auch ein Mensch, der mit einem Geist sprach. Sollte er nicht panischer sein?
"Ich weiß den genauen Zeitraum nicht so genau. Mir fehlen ein paar Erinnerungen. Aber ja, den kannte ich. Hab ihn nie gesprochen", antwortete Seyn und ließ seinen Blick durch den staubigen Raum wandern. Einmal hatte er es versucht. Und da hatte er sich so erschreckt, dass Seyn es danach nie wieder versucht hatte. Und er war sich auch ziemlich sicher, dass der Mann niemals darüber gesprochen hatte. Mit wem redete man schon darüber, einen Geist im Haus leben zu haben. Seyn hatte sich sehr bemüht ihm nicht über den Weg zu laufen oder ihn erneut zu erschrecken. Bis er dann verstorben war... und ein paar Kids meinten das Haus erobern zu wollen. Jordan schien ja nun der neue Besitzer zu sein, also war es ein Versuch wert gewesen mit ihm in Kontakt zu treten.
"Und du... lebst ab jetzt hier?", hinterfragte er und warf Jordan nun wieder einen Blick zu.

005 | Mit Seyn Hikachi
Offensichtlich wusste der Geist selbst nicht, warum er das Haus nicht verlassen konnte, oder er wollte es dem Blonden nicht sagen. Jordan wusste nicht, welche der beiden Optionen ihn mehr ärgerte. Wie konnte man so lange an einem Ort sein und nicht wissen, wie er zu verlassen war und wieso sollte er ihm misstrauen, wo er ja wohl deutlich mehr Recht hatte, hier zu sein, als der Andere. Jedoch bestätigte ihm der Geist auch, dass er in der Tat dazu in der Lage war, durch Wände zu gleiten, was den Tänzer zur Neugierde getrieben Frage führte: "Was kannst du noch?" Inzwischen war er aufgestanden, um mit Seyn auf Augenhöhe zu sein, wenngleich dieser durch das Schweben dennoch etwas grösser war. Wie oft hatte man schon Gelegenheit, einen Geist zu sehen, mit ihm zu reden und ihn zu fragen, wozu er so in der Lage war. Auch brannte eine andere Frage auf seiner Zunge, die er jedoch umging und stattdessen fragte, ob Seyn den Vorbesitzer kannte. Tatsächlich schien er ihn schon gesehen zu haben, jedoch gab er vor, nicht mit ihm gesprochen zu haben. Dies hätte Jordan auch gewundert, immerhin hatte ihm sein Onkel nie von einer solchen Begegnung erzählt. Der Gedanke an Isaac liess seinen Blick für einen Moment in die Ferne gleiten. Dann jedoch biss er sich kurz auf die Zunge. "Das dachte ich mir", entkam ihm also knapp und liess sich erneut auf dem Sofa nieder - vorsichtiger diesmal, um nicht eine erneute Staubwolke zu genieren. Er streckte sich leicht, um etwas Entspannung zu finden, blieb jedoch für einen Moment still. Die initiale Aufregung, die sein Herz zum Rasen gebracht hatte, war verflogen, selbst wenn er sich noch stets in Gegenwart des Geistes befand.
Erst als Seyn schliesslich die Frage stellte, ob Jordan ab jetzt hier leben würde, konnte er die Spannung wieder etwas hochkriechen fühlen und seine Gedanken fanden zurück in die Realität, vor der er sich hier zu verstecken versucht hatte. "Weiss nicht.", entkam dem Tänzer knapp, "Ich.. will auch nicht wirklich hier sein." Er lehnte sich zurück, mit dem Kopf auf die Rücklehne gelegt, während er die Decke musterte, die von einer beachtlichen Anzahl an Spinnweben durchzogen war. "Ich wusste nur nicht so recht, wo ich sonst hin sollte", fügte er an, ohne dass es wirklich erklärte, weswegen er überhaupt hierher gekommen war. Er wusste selbst nicht, warum er hier war, wusste, dass er zurückgehen musste, wusste, dass sich nichts ändern würde. Und doch wollte er zurück, wollte tanzen, bis all seine Muskeln brannten, wollte jeden Schritt wiederholen, bis er perfekt sass. Das war es doch, was er wollte? Ein Seufzen entkam ihm. "Wo würdest du hingehen, wenn du könntest?", fragte er schliesslich etwas geistesabwesend, weil seine Gedanken einen Grossteil seiner Konzentration einnahmen.

Eigentlich spielte es ja gar keine Rolle, ob Jordan ihm glaubte, oder nicht. Immerhin würde Seyn das Haus nicht verlassen können und egal wie genervt Jordan am Ende davon war, würde er Seyn ja auch nicht rauswerfen können. Wenn er das könnte, wäre der Geist sogar ziemlich froh, denn dann wäre er frei und könnte verschwinden. Wohin auch immer.
"Mich unsichtbar machen. Inzwischen auch endlich Gegenstände berühren." Das konnte er am Anfang nicht. Brauchte er ja eigentlich auch nicht. Immerhin brauchte er nicht essen und er musste auch keine Türen öffnen, um durch diese hindurch gehen zu können. Trotzdem war es so angenehmer. Kam er sich dadurch dieser Welt doch ein wenig verbundener vor, als wenn er nichts anfassen könnte. Für einen lebendigen Menschen eventuell sehr unverständlich.
Der Tote nickte leicht, als Jordan knapp meinte, dass er sich das schon dachte. Wenn der Vorbesitzer mit Jordan etwas zutun hatte, war es sonst ja auch nur logisch, dass die beiden sich darüber unterhalten hätten, dass hier ein Geist lebt. Seyn hatte gut aufgepasst, dass dem nicht so war, wollte er den armen Mann ja nicht zu Tode erschrecken. Was die Zeit für den Dunkelhaarigen nur um so zäher und anstrengender gemacht hatte. Aber wer war er schon, für sein Leben, das eines anderen schwerer zu machen.

Nachdenklich musterte Seyn den blonden jungen Mann vor sich, als dieser scheinbar nicht so genau wusste, was er wollte. Offensichtlich jedenfalls nicht unbedingt hier sein. Da hatten sie schon mal etwas gemeinsam. "Bist du vor etwas davon gelaufen?", hinterfragte Seyn. Er entnahm dies jedenfalls den Worten von Jordan. Wie ein Obdachloser sah er schließlich nicht aus.
"Wenn ich hier weg könnte?", meinte Seyn langsam und überlegte einen Moment. "Mein zu Hause existiert wohl nicht mehr, denke ich... also würde ich mir die Welt ansehen. Tun, worauf ich Lust habe. Was ich wirklich gerne machen möchte", meinte Seyn, bevor er müde lächelte und den Kopf schüttelte. "Allerdings gehört ein Geist wohl nicht wirklich hier her... also hoffe ich einfach fort zu sein, wenn ich hier raus komme." Es gab auf der Erde keinen Platz für einen Geist. Er war tot. Die Menschen würden Panik bekommen, wenn sie ihn sahen. Er konnte nirgendwo hin gehen und dort das Essen genießen. Er brauchte nicht schlafen. Er konnte nie mit jemandem zusammen sein. Egal was er tat, es wäre nicht dasselbe. Was geschehen würde, wenn er hier raus kam, wusste er nicht. Aber er hoffte es war besser, als alle Zeit in einem Haus eingesperrt zu sein.